HOTEL MIT SEELE FÜR FLÜCHTLINGE

Ein Hotel am Wiener Prater bietet anerkannten Flüchtlingen einen Arbeitsplatz – und jungen Asylwerbern ein Zuhause.

„Buenas Noches, Senorita!“ Die spanische Touristin, die gerade an der Rezeption des magdas Hotel eingetroffen ist, ist sichtlich erfreut darüber, in ihrer Muttersprache angesprochen zu werden. Mit einem Lächeln überreicht Rezeptionist Dinis Angsberg ihr den Zimmerschlüssel und wünscht eine angenehme Nachtruhe. Die Wand in der Hotellobby schmücken Portraits aller Hotelmitarbeiter, eingefasst in Bilderrahmen im Vintage-Look.

Begeisterte Hotelgäste

Das Hotel am Wiener Prater ist gut besucht – es hat sich herumgesprochen, dass dieser Ort etwas bietet, das in Europa einzigartig ist: magdas Hotel wird von anerkannten Flüchtlingen gemeinsam mit Hotelprofis geführt. Möglich macht das ein Social Business Projekt der Caritas.

Dinis Angsberg war 17 Jahre alt, als er aus seiner Heimat Guinea Bissau, Westafrika flüchtete und in einem Containerschiff nach Europa gelangte. „Ich war als Kritiker des Regimes im Land nicht mehr erwünscht.“ Nur mit einem Schülerausweis in der Tasche beantragte Angsberg Asyl. „Ich musste drei Jahre warten, bis ich zu einem Interview eingeladen wurde“, erzählt der heute 28-Jährige. Neun weitere Jahre vergingen, bis dem Asylantrag endlich stattgegeben wurde. „Da ich während dieser Zeit offiziell nicht arbeiten durfte, half ich ehrenamtlich in einem Pensionistenheim aus.“ Nebenbei besuchte der Asylwerber einen Tourismuslehrgang und spricht heute fünf Sprachen.

40 Euro Taschengeld bekommen Asylwerber monatlich vom Staat, meist sind sie in Flüchtlingsunterkünften untergebracht. Angsberg hatte das Glück, von einer Bekannten finanziell unterstützt zu werden und konnte sich daher eine kleine Wohnung leisten. „Ich habe immer wieder Hilfe von der Bevölkerung bekommen, während mir die Regierung nur Steine in den Weg gelegt hat.“ Der Rezeptionist muss unterbrechen, da wieder ein Hotelgast angekommen ist. „I’m so excited to be here!“, ruft die junge Frau und erzählt, dass sie alle Medienberichte über magdas Hotel verfolgt hätte. Esterellen Nelson ist aus Island angereist, um an einem Meeting des European Anti Poverty Network teilzunehmen, und kennt die Situation von Flüchtlingen in ihrem eigenen Land. „In Island haben Asylwerber es genauso schwer wie hier“, erzählt sie. „Das scheint ein europaweites Problem zu sein.“

Abends füllt sich magdas Salon, die hoteleigene Bar, mit Gästen. Wo früher Pensionisten zusammen saßen, werden nun Bier und Cocktails an Wiens Nachtschwärmer ausgeschenkt. In einer Arbeitspause erzählt Barkeeper Ali, der seinen richtigen Namen nicht nennen möchte, seine Geschichte: der 21-jährige Algerier kam vor 12 Jahren mit seiner Familie nach Österreich und war einer der ersten Flüchtlinge in Österreich, die eine Lehre beginnen konnten – eine Gesetzesänderung machte dies möglich. Heute genießt er subsidiären Schutz, befristeten Schutz vor Abschiebung. „Ich muss mein Aufenthaltrecht alle zwei Jahre verlängern lassen“, erzählt der 21-Jährige, der mit der Ungewissheit zu leben gelernt hat. „Natürlich würde ich gerne hier bleiben – Wien ist mein Zuhause, hier habe ich meine Familie und Freunde.“

Vor allem junge Leute sitzen an den alten, bekritzelten Schultischen, die zu Bartischen umfunktioniert wurden, die Stühle aus dem ehemaligen Seniorenheim wurden neu bezogen.

Aus alt mach neu

Das gesamte Hotel wurde in einem Upcycling-Prozess neu gestaltet: einige der Möbel in den Hotelzimmern sowie in Lobby, Restaurant und Bar stammen aus dem Secondhand-Markt carla der Caritas. Andere wurden von ehemaligen Bewohnern hinterlassen oder von der Bevölkerung für das Projekt gespendet. Zahlreiche Firmen unterstützten das Projekt sowohl finanziell als auch in Form helfender Hände in der Werkstatt. „Zu unseren Umbau-Events kamen sogar Freiwillige aus der Nachbarschaft, um zu helfen“, erzählt Johanna Aufner, Projektleiterin des zuständigen Architekturbüros. Mehrere Unternehmen spendeten Einrichtungsstücke; aus alten Kofferablagen, die früher in Zügen der Österreichischen Bundesbahnen zum Einsatz kamen, wurden Garderoben für die Hotelzimmer.

Die Hotelbar war ursprünglich als Begegnungsraum für Hotelgäste und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gedacht, die in einer eigenen Wohngemeinschaft im Hotelgebäude leben. Doch die jungen Männer und Frauen bleiben lieber unter sich, treffen sich in ihrem Gemeinschaftsraum und tauschen dort Erfahrungen aus.

Ungewisse Zukunft

Die WG „Nuri“ wird von der Caritas betreut, 15 junge Männer zwischen 14 und 18 Jahren haben im Erdgeschoss ein vorübergehendes Zuhause gefunden. „Im 1. Stock wohnen 13 junge Menschen über 18 Jahren, die von uns nachbetreut werden“, erzählt Mirela Meric, Leiterin der Wohngemeinschaften. Denn sobald die Flüchtlinge volljährig sind, stehen sie alleine da, meist ohne abgeschlossenes Asylverfahren und in laufender Ausbildung. „Asylverfahren werden oft erst nach der Volljährigkeit abgeschlossen, da es dann kein offizielles Recht mehr auf Familienzusammenführung gibt“, kritisiert Meric.

Der 18-jährige Somali Assad hatte das Glück, eine Universitätsprofessorin kennen zu lernen, die sich unermüdlich für ihn einsetzte und bewirkte, dass der junge Mann in magdas Hotel unterkam. Der 17-jährige Ahmed flüchtete vor drei Jahren alleine aus Afghanistan. „Der Schlepper hat 10.000 Euro gekostet, das konnte sich meine Familie nur einmal leisten.“ Da Ahmed der älteste Sohn war, wurde er losgeschickt, seine Flucht dauerte drei Monate und führte ihn über Pakistan und den Iran in die Türkei. Dort bestieg er einen LKW, der ihn nach Österreich brachte. Heute besucht Ahmed auf eigene Initiative ein Gymnasium – eine Seltenheit unter Asylwerbern. „Es ist nicht leicht, aber ich möchte es schaffen.“ Nebenbei lernt der 17-Jährige deutsch und ist Mitglied eines Volleyballvereins. Die anderen WG-Mitglieder sind für ihn ein Familienersatz, ältere Jugendliche helfen hier den Jüngeren. Die meisten von ihnen sehen einer ungewissen Zukunft entgegen, auch Ahmed wartet seit Jahren auf eine Entscheidung bezüglich seines Asylantrages. Man merkt an der Ernsthaftigkeit des jungen Mannes, dass ihm diese Ungewissheit zu schaffen macht. „Ich gehe gerne zur Schule und bemühe mich, gut abzuschneiden, aber an manchen Tagen frage ich mich: wozu das alles, wenn ich vielleicht gar nicht hierbleiben kann? Dann grüble und grüble ich und komme zu keinem Ergebnis.“

Auf die Frage, ob er sich trotzdem in Österreich willkommen fühle, meint Ahmed: „Die meisten Leute, die ich kennen gelernt habe, sind sehr nett und hilfsbereit, aber es gibt auch Menschen, die keine Flüchtlinge in ihrem Land haben wollen.“ Die Bewohner der WG Nuri haben dazu ihre eigene Meinung: „Kein Flüchtling verlässt freiwillig sein Land.“

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