BEMERKENSWERTE ENTWICKLUNGEN IM ENERGIESEKTOR DER TÜRKEI
Ein Bericht von Hans-Josef Fell aus Istanbul
In der Türkei gibt es sehr interessante neue Entwicklungen im Erneuerbare Energien-Sektor. Der türkische Präsident Erdogan setzt zusammen mit seinem Energieminister Berat Albayrak offiziell weiterhin auf Kohle, Atomkraft und Erdgas. In der Wirklichkeit aber spielen seit den Regierungsankündigungen im letzten November Erneuerbare Energien die Hauptrolle im türkischen Energieinvestment.
Es wird zwar weiter am ersten türkischen Kernkraftwerk Akuyu gebaut, welches vom russischen Atomkonzern Rosatom erstellt und vom russischen Staatshaushalt über Kredite finanziert wird. Dabei ist jedoch der russische Haushalt seit dem Ölpreisverfall bekanntlich fast bankrott. Eine Inbetriebnahme von Akuyu steht daher völlig in den Sternen. Auch die neue Southstreampipeline durch die Türkei dient wohl eher den geopolitischen Interessen des russischen Präsidenten Putin, als sinnvollen energiepolitischen Zielen.
Ein starker Markt für Erneuerbare Energien entwickelt sich
Ohne großes Aufhebens entwickelt sich in der Türkei gleichzeitig ein starker Markt für Erneuerbare Energien, insbesondere Windkraft, Solarenergie, Wasserkraft und Geothermie, aber auch Biokraftstoffe.
Die Regierung hat ein umfassendes Programm aufgelegt: So berichteten die Deutschen Wirtschaftsnachrichten, dass die Türkei bis zum Jahr 2020 insgesamt 28 Milliarden Dollar an Investitionen im Sektor der Erneuerbaren Energien anziehen werde. 16,4 Milliarden Dollar sollen in die Windenergie, 7,4 Milliarden Dollar in die Solarenergie, 3,4 Milliarden Dollar in die Geothermalenergie und 560 Millionen Dollar in die Hydroenergie investiert werden. Die Türkei selbst plane, 18,6 Milliarden Dollar in „grüne Infrastrukturprojekte“ zu investieren, so die internationale Entwicklungsbank IFC. Weitere 24 Milliarden wolle die Regierung in Ankara in das kohlenstoffarme Transportwesen investieren. Bis zum Jahr 2023 wolle die Türkei 37 Prozent ihrer Energienachfrage über Erneuerbare Energien abdecken. Im vergangenen Jahr noch hatte die Türkei lediglich 1,9 Milliarden Dollar in Erneuerbare Energien investiert.
Auch in den ländlichen Räumen entwickelt sich immer mehr eine Eigendynamik mit dezentral, selbsterzeugtem Solarstrom. Damit hat sich selbst in der türkischen Regierung die Erkenntnis durchgesetzt, dass Erneuerbare Energien wesentlich billiger sind als Investitionen in konventionelle Energien. Es bleibt also eine Frage der Zeit, wann die Türkei ihre öffentliche Unterstützung für die alten Energien einstellen wird.
Energiekonferenz in Istanbul
Auf der vom Präsidenten der türkischen Sektion Eurosolar, Prof. Dr. Tanay Sidki Uyar organisierten und gut besuchten Konferenz IRENEC in Istanbul wurden viele Projekte vorgestellt. In meiner Rede hatte ich sowohl die großen ökomischen Probleme der Atomwirtschaft und der fossilen Wirtschaft herausgestellt, als auch die positiven ökonomischen Entwicklungen der inzwischen sehr billig gewordenen Erneuerbaren Energien. Große Aufmerksamkeit gab es auch bei den anwesenden Regierungsvertretern, als ich die Doppelnutzung auf dem Acker mit der Erzeugung von Solarstrom einerseits, Biokraftstoff- und Lebensmittelproduktion andererseits an Hand von realisierten chinesischen Projekten zeigte. Gerade die Türkei hat große degradierte Flächen, die so in die Wiederbegrünung gebracht werden könnten.
Türken wollen Demokatie und Freiheit
In persönlichen Gesprächen mit Istanbuler Bürgerinnen und Bürgern konnte ich mir auch ein Bild machen, wie viele Menschen in Istanbul die aktuelle politische Lage sehen. Viele leiden sehr unter den antidemokratischen Entwicklungen. Einige berichteten mir, dass es auch in ihrer Familie Verhaftungen gegeben habe oder der Arbeitsplatz gekündigt worden sei. Zum Teil nur, weil sie einen Aufruf unterzeichnet haben, der zum Ende der kriegerischen Handlungen im Osten der Türkei aufforderte. Meine Gesprächspartner sind der Überzeugung, dass eine Mehrheit der türkischen Bevölkerung Demokratie und Freiheit wolle und die aktuelle Entwicklung nach dem Referendum sie mit großer Besorgnis erfülle. Sie wünschten sich eine große Nähe zu Deutschland, in der Hoffnung auf Unterstützung für den Erhalt der freiheitlichen Demokratie.
Hans-Josef Fell war in den Jahren 1998 bis 2013 Abgeordneter des Deutschen Bundestages in der Fraktion der Grünen, für die er maßgeblich den Entwurf des Erneuerbaren Energien-Gesetzes (EEG) formulierte, das durch seine Abnahme-Garantie einen Boom von Solar- und Windkrafttechnik auslöste. Heute ist der Präsident des Thinktanks Energy Watch Group in Berlin.
WEITERE INFORMATIONEN ZUR ENERGIEWENDE IN DER TÜRKEI:
Türkische Provinz Van erzeugt bald erneuerbare Energie aus Abfällen
(14.6.2017) Die Gemeinde in der östlichen Provinz Van in der Türkei hat sich entschlossen, ein Mülldepot umzuräumen und den Inhalt in erneuerbare Energien umzuwandeln. Angesichts des zunehmenden Umweltdiskussionen und der globalen Bewegung, die anstelle von fossilen Brennstoffen, erneuerbare Energien verlangt, hat auch in der Türkei ein Umdenken begonnen.
Laut der Behörde für erneuerbare Energien „YEKDEM“ wurden rund 4,2 Milliarden Kilowattstunden Strom aus Wasserkraftwerken erzeugt, während 950,8 Millionen Kilowattstunden Strom durch Windräder produziert wurden. Weitere 521 Millionen Kilowattstunden Strom wurde aus Biogas, Biomasse, Geothermie und Deponiegas produziert.
Joint Venture für Photovoltaik-Kraftwerke
(9.6.2017) Die Aktif Bank und Halk Enerji haben das Joint Venture Aktif Halk Enerji Yatirmlari A.S. gegründet. Beide Unternehmen seien zu 50 Prozent beteiligt, teilte eine der größten privaten Investitionsbanken der Türkei nun mit. Es sei das Ziel, gemeinsam in lizenzierte und unlizenzierte Photovoltaik-Anlagen mit rund 100 Megawatt Gesamtleistung zu investieren. Damit solle der Ausbau der erneuerbaren Energien in der Türkei vorangetrieben werden. Mit dem Joint Venture gehe die Aktif Bank einen wichtigen Schritt in Richtung Photovoltaik, erklärte Vorstandschef Serdar Sumer. Es sei auch angedacht, dass Modell auf andere Länder auszuweiten.
Türkei schreibt ein Gigawatt Solarstromleistung aus
(27.02.2017) Die Türkei will ein Solarenergiezentrum aufbauen. Dieses umfasst eine Modulfabrik, ein Forschungszentrum und einen riesigen Solarpark. Die Ausschreibung läuft bereits.
So soll bei Karapınar in der südtürkischen Provinz Konya eine Photovoltaikanlage mit einem Gigawatt Leistung entstehen. Diese soll im Rahmen eines Solarenergiezentrums aufgebaut werden, das neben dem Generator auch eine Modulfabrik und ein Forschungszentrum für Photovoltaik umfasst. Das Modulwerk soll eine jährliche Produktionskapazität von 500 Megawatt haben. Die Solaranlage soll innerhalb der kommenden 36 Monate fertiggestellt sein. Die Regierung wird den Strom 15 Jahre lang zum in der Ausschreibung gebotenen Preis abnehmen.
Die Ausschreibung ist die erste einer ganzen Reihe von geplanten Großprojekten für erneuerbare Energien. Am 9. Oktober 2016 verabschiedete das türkische Parlament ein entsprechendes Fördergesetz. Damit will Ankara vor allem sogenannte Ressourcengebiete mit Solaranlagen bebauen.
Türkei will massiv in Erneuerbare Energien investieren
(23.11.2016) Die Türkei will Milliarden in Erneuerbare Energien investieren. Der deutsche Energie-Riese EWE plant, zunächst 120 Millionen in der Türkei zu investieren. Nach Angaben der International Finance Corporation (IFC) der Weltbank wird die Türkei bis zum Jahr 2020 insgesamt 28 Milliarden Dollar an Investitionen im Sektor der Erneuerbaren Energien anziehen
Türkei setzt bei erneuerbaren Energien auf Windenergie
(01.02.2016) In punkto erneuerbare Energien hat sich die Türkei ehrgeizige Ziele vorgenommen: Bis 2023 sollen die Windkraftwerke eine Gesamtkapazität von 20.000 MW erreichen – fast das Fünffache vom Stand Mitte 2015. Auch der Fachverband für Solarenergie erwartet eine Steigerung der Kapazitäten von knapp 100 MW auf 5.000 MW bis 2020. Hier dürften sich die geplanten Sonderzonen für Solarenergie auswirken.